Letzte Woche durfte ich eine liebe Familie in Oberösterreich bei einem Almauftrieb unterstützen. Ein sehr außergewöhnliches Erlebnis für mich, mit vielen tollen Momenten und Erkenntnissen!
Wie es dazu kam
Katrin und ich haben Ingrid vor einigen Wochen während unserer Ausbildung „Aurameister 2“ in Oberösterreich kennengelernt. Ich erfuhr von Ingrid, dass sie und ihre Familie einen Bauernhof betreiben. Spontan bot ich meine Hilfe an, denn ich wollte schon immer mal die Arbeiten auf einem Bauernhof kennenlernen und tatkräftig mitwirken. Sie und ihr Mann waren von der Idee sehr angetan und so kam es, dass sie mir den Vorschlag machten, beim Auftrieb der Kühe zu helfen. Sofort war ich begeistert, sagte zu und fragte auch Katrin, ob sie mitkommen würde. Sie war ebenfalls sehr begeistert und so machten wir uns auf den Weg. Ingrid und ihre Familie boten uns an, für die Zeit bei ihnen zu wohnen, was wir gerne annahmen. Als wir bei Ingrid ankamen, wurde uns erst so richtig bewusst, dass wir uns ja eigentlich kaum kannten, Wir fühlten uns jedoch von der ersten Sekunde an sehr willkommen, wurden ganz herzlich von Ingrid und ihrer Familie aufgenommen und während unseres Aufenthalts ganz zauberhaft bewirtet.
Der Almauftrieb
Am nächsten Tag war es dann soweit, zehn Kühe, zwei Kälbchen und einen Stier auf die Alm zu bringen. Etwa 10 Kilometer Fußmarsch und ca. 400 Höhenmeter lagen vor uns. Ich muss sagen, ich war schon ein wenig aufgeregt und konnte nicht so recht vorausschauen, was mich konkret erwartet. Als wir auf die Weide zugingen, auf der die Kühe bereits warteten, war deutlich zu sehen, dass die Tiere genau wussten was jetzt passiert. Freudig, ungeduldig und laut muhend liefen die Kühe direkt in Richtung Ausgang. Dann näherte sich uns der Stier, ein Kollos von geschätzten 1000 kg. Meine Aufregung wuchs und ich hatte größten Respekt. Mein erster Gedanke war „nur keine Angst zeigen, Steffi – die Tiere merken das sofort!“
Nun gab es kein Halten mehr
Als wir den Zaun öffneten gab es kein Halten mehr und die Kühe gingen im schnellen Tempo voran – bis auf ein Kalb. Das zog vor, verängstigt wegzurennen und auf der Wiese zu bleiben. Mit mehreren Personen haben wir versucht, das Kalb einzufangen, aber keine Chance! Nach kurzer Überlegung mussten wir uns entscheiden, das Kalb vorerst auf der Weide zu lassen und die anderen Kühe einzuholen, um ihnen den rechten Weg zu weisen. Es durfte eine nachträgliche Lösung für das Kälbchen gefunden werden. Währenddessen hatte ich leichte Sorge, dass die Mutter auf dem Weg unruhig wird, wenn sie feststellt, dass ihr Kalb nicht mitgekommen ist. Dem war aber zum Glück nicht so. Sie drehte sich zwar immer wieder um, lief jedoch weitestgehend brav mit. Da zeigt sich, dass Kühe Herdentiere sind. Das darf das kleine Kälbchen auf jeden Fall noch lernen.
Nach etwa 3,5 Stunden sind wir alle glücklich und zufrieden am Ziel angekommen und haben den Abend entspannt ausklingen lassen.
Im Hier und Jetzt
Da ich mich während des Aufstiegs voll und ganz auf die Kühe konzentriert habe, war ich die komplette Zeit über im Hier und Jetzt. Ich setzte meinen Fokus nur auf die Natur und auf die Kühe und dachte an nichts anderes. Das war Balsam für meine Seele und zeigte mir wieder einmal so deutlich, wie schnell man den Alltag für den Moment vergessen kann und wie gut das tut.
Der Tag danach
Am nächsten Morgen beim Frühstück haben wir erfahren, dass sich die Mama-Kuh in der Früh auf den Weg zu ihrem Kälbchen gemacht hat und die gesamte Strecke alleine zurück gelaufen ist. Wahnsinn – die Liebe und Fürsorge war offensichtlich so stark, dass die Kuh den Weg erneut auf sich genommen hat. Ganz ungefährlich war dieser Alleingang sicher nicht! Außerdem hat sie sich leicht verletzt, als sie den Zaun überwunden hat. Fraglich war für uns, wie sie das überhaupt geschafft hat, denn der Zaun auf der Alm war unbeschadet und völlig intakt.
Nach kurzer Überlegung haben wir dann gemeinsam beschlossen, einen zweiten Almauftrieb zu starten, um Mutter und Kalb auf die Alm zu bringen. Fast drei Stunden wirkten wir auf die beiden ein und haben alle Register gezogen, leider ohne Erfolg. Das Kälbchen war noch immer so verängstigt und bockig, dass wir es nicht von der Weide bekamen. Es war offensichtlich nicht der richtige Zeitpunkt und sie mussten beider erstmal zur Ruhe kommen.
Mein Fazit:
Du kannst im Leben alles planen, aber die Natur bestimmt wo es lang geht und wann es passiert!
Alle vorherigen Überlegungen, wie das Kalb auf die Alm kommen könnte, waren mit den erneuten Marsch der Mama-Kuh über den Haufen geworfen. Es zeigt sich immer wieder, dass ich mir noch so viele Gedanken machen kann, es kommt doch wie es kommen soll. Ich darf vertrauen, dass ich immer im richtigen Moment eine Lösung finden werde.
In unserem alltäglichen Leben ist uns das häufig gar nicht mehr bewusst, aber je mehr wir im Einklang mit der Natur leben, erfahren wir was es bedeutet, nicht alles beeinflussen zu können. Wenn die Tiere eine Pause brauchen, heißt es abwarten und geduldig sein. Wenn eine Kuh vor Dir steht und nicht willig ist, bist Du völlig machtlos – das fordert Hingabe und Akzeptanz!
Das Gefühl von Liebe und Fürsorge löst eine starke Willenskraft aus und überwiegt das Gefühl der Angst!
Die Kuh hat all ihre Ängste überwunden, weil sie unbedingt zu ihrem Kalb wollte. Sie ist am Tag zuvor einen langen Weg bergauf gegangen, hat sich in der Nacht ausgeruht, um am nächsten Morgen den Weg erneut bergab zu gehen. Sie hat bedingungslos in Kauf genommen, sich bei ihrem Ausbruch zu verletzen, um wieder bei ihrem Kalb zu sein. Das ist wahre (Mutter-)Liebe!
Sei Dir bewusst, dass die Kraft der Liebe in uns viel stärker sein kann als jede Angst! Alles im Leben ist möglich, wenn wir nur fest an uns glauben und immer wieder bewusst Gedankenhygiene betreiben! 😉
Im Hier und Jetzt sein, stärkt Deine Resilienz!
Drei Tage intensiver im Einklang mit der Natur zu leben, als ich es gewohnt bin, fühlten sich wie mehrere Wochen Urlaub an, denn ich war während der Zeit einfach nur im Hier und Jetzt. Trotz der 700 km Anreise hatte ich ein sehr beseeltes und innerlich gestärktes Gefühl in mir, mit dem ich mich wieder auf die Rückfahrt machte.
Aus dem alltäglichen Hamsterrad auszusteigen und völlig im Hier und Jetzt zu sein, stärkt unsere innere Widerstandskraft!
In voller Dankbarkeit für dieses tolle Erlebnis schicke ich ganz liebe Grüße nach Oberösterreich – I´ll be back!
Hier noch ein Video mit tollen Eindrücken und passender Musik von Ute Ullrich („Ich bin bereit“)
Viel Freude beim Anschauen!